Er hat einen dicken Bauch, einen dünnen Hals und oft nimmt man ihn erst wahr, wenn er fehlt: Der Kontrabass. Es gibt aber einen, der bring den Holzkoloss zum Tanzen. Und mit ihm eine ganze Synagoge.
Wenn ich Menschen mit Kontrabässen sehe, denke ich immer: Wie groß die sind (die Kontrabässe), wie schwer. Wie unhandlich! Wie die sich mühen müssen (die Menschen), beim Transport, beim Auspacken, beim Putzen und natürlich beim Spiel. Denke an die Ungerechtigkeit, dass ja der Kontrabass meist im Hintergrund bleibt, ein Instrument ist, dass erst auffällt, wenn es fehlt. Immer im Schatten der ersten Geige, der zweiten und dritten, des rasenden Schlagzeugs, des bewunderten Klaviers.
Dachte ich immer. Denn seit einigen Tagen ist das anders. Ein Bild lässt mich nicht los, vielmehr eine Bildfolge. Es sind Bilder eines Mannes, der mit seinem Kontrabass tanzt. Avishai Cohen, ein israelisches Jazz-Bassist, spielte in Berlin, und all das Wunderbare, Grandiose, Zarte und Wilde, Berührende und Mitreißende, was ich und Hunderte andere in dieser Septembernacht zu hören und zu sehen bekamen, ist in diesen Bildern drin.
Und wickelt sich um ihn herum
Die Musik, und sie war fantastisch, spielt in der Erinnerung nur im Hintergrund. Vorne steht der Mann mit seinem Instrument, dem großen, schweren, mit dem dicken Bauch und dem dünnen Hals. Doch in seinen Händen wird das Ding zu einer zweiten Person, und mit dieser, sagen wir mal: Frau, tanzt er. Schmust er. Streitet er, doch folgt die Versöhnung auf dem Fuße. Cohen streichelt den Kontrabass, schlägt ihn sanft, packt ihn am Hals, stößt ihn weg, zieht ihn heran, wickelt sich um ihn herum, reibt sich an ihm und fasst ihn wieder leicht, mit einer Hand, als wäre er eine Feder.
Tränen in den Augen
Nichts Schwerfälliges ist mehr an dem Holzkoloss, wenn diese zwei zusammen sind. Weg war mein Mitgefühl mit dem unterschätzten Instrument und seinen geplagten Liebhabern. Eine Violistin habe ich noch nie so erotisch tanzen sehen. Und ein Pianist? Nun, der stieße an natürliche Grenzen, wenn er seinen Partner umherwirbeln wollen würde. Denke ich spät in der Nacht und muss grinsen. Höre den Melodien nach, die noch im Ohr sitzen, sehe noch mal die Leute tanzen, die es nicht auf den Stühlen gehalten hat, und welche, die sich Tränen aus den Augen wischen, weil Cohen nicht nur den Kontrabass zum Tanzen bringen, sondern auch unfassbar schöne Balladen singen kann.
Natürlich lässt er den Kontrabass nicht los, nicht einen Moment. Erst später, irgendwo da draußen in der dunklen Stadt, wird er dann gestanden haben. Groß, ruhig und glänzend. Mit bescheidenem Stolz. Bestimmt hat er gelächelt.
Written by: Barbara Weitzel
Photo: Youri Lenquette