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‘Beseelt und funkensprühend’ – Live Review

Weltweit verständliche Sprache: Avishai Cohen mit großartigem Auftritt beim Freiburger Jazzfestival.

Auf der Suche nach spannenden Entwicklungen im Auf europäischen Jazz ist man derzeit immer gut beraten, an den östlichen Rand zu schauen. Das tat auch das Jazzfestival Freiburg mit zwei prächtig besuchten Konzerten in der wochenendlichen Zielkurve. Beide Programmpunkte offenbarten sich als großartige Vertreter moderner Trio-Kunst.

Der einst von Chick Corea entdeckte Avishai Cohen ist ein Allroundtalent, betätigt sich als Komponist, Bassist und Sänger, der seinen Kulturraum als barrierefrei sieht. Geradezu visionär bettet er Jüdisches, Arabisches und Abendländisches in eine weltweit verständliche Jazzsprache, die sich von Amerika längst emanzipiert hat. Im E-Werk lebt sein Set von sagenhaft konzentriertem Zusammenspiel mit Nitai Hershkovits (Piano) und Daniel Dor (Drums), die mit jeweils ganz individuellem Klangvorrat und Körpersprache musizieren. Der eher hagere Pianist ist ein Meister ruhiger, fast klassischer Themen, die er in grandiosen Crescendi frei belebt, in den Begleitpassagen lehnt er sich versonnen fast auf die Tasten. Als säße er an einer Staffelei, pinselt Dor delikat auf Becken und Snare, hält im Fluss der Improvisation immer wieder für Sekundenbruchteile inne, sorgt dadurch für atemstockende “Holperer”.

Cohen hält sich zunächst zurück, koloriert das Piano mit Unisono-Gängen, bricht aber dann in einem Siebenachtelstück aus: Grimassierend, sehr physisch tanzt er seinen Bass an, surft regelrecht mit ihm, produziert raffinierte Oktavsprünge, Schnalz- und Hämmergeräusche auf der Zarge, zupft jenseits des Stegs. Tempi und Stimmungen wechseln: Eine schwermütig niedersinkende Melodie könnte aus dem jüdischen Kanon abgeleitet sein, Cohen singt dazu auf hohen Saitenregistern. Von Hershkovits mit einem Fremdton garniert, dadurch spannend getrübt wird eine Ballade, und zu einem orientalischen Ornament krempelt der sonst empfindsame Dor die Ärmel hoch. Am mitreißendsten eine Komposition, die über einem fast kirchentonartlichen Cantus Regeln der Triokunst durchexerziert. Nach einem bluesig-hispanischen Soloblock von Cohen verabschiedet sich der bejubelte Dreier mit einem hibbeligen Remake von “Besame Mucho”, als könne man das Küssen kaum erwarten.

Written by Badische Zeitung.

Original press.

Photo: Anna Yatskevich

Avishai Cohen