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Heidelberg Classical Festival, Germany – Live Review

 

Avishai Cohen Trio und Stuttgarter Kammerorchester konzertierten gemeinsam

Jazz, Worldmusic und Klassisches: Avishai Cohen Trio und Stuttgarter Kammerorchester gaben ihre gemeinsame Weltpremiere beim Heidelberger Frühling – Gefeierter Auftritt

 

Von Rainer Köhl

Das Festivalmotto “Freiheit wagen” hätte nicht besser passen können als zum jüngsten Konzert beim Heidelberger Frühling, dem Zusammentreffen des Avishai Cohen Trios mit dem Stuttgarter Kammerorchester. Jazz, Worldmusic und Klassisches gingen eine wunderbare Allianz ein, die mit Ovationen gefeiert wurde.

Solch eine Begeisterung hat man in der vollen Stadthalle wohl selten erfahren wie an diesem Abend, der jetzt schon in die Geschichte des Festivals eingehen wird. Letztes Jahr begeisterte der israelische Kontrabassist und Sänger eben hier bei Avishai Cohen & Strings, als sein Trio von einem Streichquartett begleitet wurde. Jetzt die neue Zusammenarbeit mit dem Stuttgarter Kammerorchester, initiiert von deren Manager. Wie wunderbar diese Weltpremiere klang, konnte man nun hier erfahren, bevor das Projekt nächstes Jahr gemeinsam auf Tournee geht.

Seine warme Streichersonorität entfaltete das Kammerorchester eingangs bei einigen Kontrapunkten aus Bachs “Die Kunst der Fuge”, ehe es mit Kompositionen von Avishai Cohen weiterging. Ruhige, expressive Linien schwangen in dessen “Hayo Hayta” aus, wunderschöne kammermusikalische Elegien.

Hymnische Themen liebt der israelische Bassist. Eine melodische Kraft, die aus dem Reichtum jüdischer Volksmusik schöpft. Ausdrucksvolle Melismen, archaische und auch trauernde Melodien gaben oft den Ton an oder auch traumhafte Schlaflieder für Cohens Tochter.

Tscho Theissing hat Cohens Kompositionen für das Streichorchester arrangiert: Eine apart klingende Harmonik, die in den still fließenden Stücken ebenso viel Schönheit entwickelte wie in den vitalen Nummern. Enthusiastischer Jubel brandete auf nach den Tänzen, die oft aus dem Reichtum arabischer Melodien und Rhythmen schöpften und die das Orchester in lebhaften Unisoni intensivierte. Daneben gab es lyrische, träumerische Kompositionen, denen Cohen beredten Ausdruck gab in seinen Soli.

Zwiegespräche unternahm der Bassist mit seinem Pianisten Nitai Hershkovits, reflektierende Passagen, um im nächsten Augenblick zu lustvoll verspielten Kapriolen zu starten. Pointiert dahinfliegende Läufe intensivierte der Pianist zu rasantem Drive, den das Streichorchester aufgriff und nicht minder dynamisch vorwärtstrieb. Fliegende Wechsel der Stile: Zwischen melodischem Kammerjazz im Trio (mit Daniel Dor am drumset) zum orchestralen Verbund und dessen erregenden Rhythmen ging es lebhaft hin und her.

Von seiner Mutter hat Cohen viele Volkslieder gelernt, darunter auch “Puncha Puncha”, ein sephardisches Liebeslied von sehnsüchtig schmerzerfüllter Schönheit. Der Echo-Jazzpreisträger 2013 ist nicht nur ein begnadeter Kontrabassist, sondern auch gefühlvoller Sänger mit warmer Stimme, der in dieser Doppelfunktion an Sting erinnert. Für seinen Vater hatte er auch noch ein Lied parat, und auch der Großvater wurde in der Zugabe geehrt, einem religiösen Lied, das dieser immer freitags sang und in das das Publikum im Refrain mit einstimmte. Es war ein wunderbarer Abend der großen Gefühle und der Freiheit.

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Photo: Seda Ozguven

Avishai Cohen